Gnaiger 2009 Oroboros MiPArt Publications

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Gnaiger E, Agreiter R (2009) Richard Agreiter: Mysterium der seriellen Form. Einmaligkeit – Wiederholbarkeit - Gültigkeit: Bedeutungswandel in Kunst und Wissenschaft. Oroboros MiPArt Publications, Innsbruck, Austria:53pp.

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Gnaiger E, Agreiter R (2009) Oroboros MiPArt Publications, Innsbruck, Austria

Abstract:

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Im Grunde ist jeder Bronzeguss ein Experiment. Einem nicht mehrfach wiederholbaren Experiment wird in der Wissenschaft jede Gültigkeit abgesprochen. Erst das wiederholte Ergebnis verleiht dem einzelnen Ereignis Gültigkeit und Wert. Je öfter die Wiederholbarkeit dem tatsächlichen Versuch standhält, umso mehr wird das ‚verifizierte’ Phänomen zur gültigen, naturgesetzlichen Erkenntnis. Die Wiederholbarkeit ist nicht Gegensatz sondern serieller Bestandteil des Einmaligen auf verschiedenen Stufen der Komplexität. Einmaligkeit entsteht durch Wiederholbarkeit, in der Suche des Künstlers und Wissenschaftlers nach unbeirrbarer Gültigkeit.

Bioblast editor: Gnaiger E O2k-Network Lab: AT Innsbruck Gnaiger E, AT Innsbruck Oroboros

Inhalt

  • Kurzbiographie Richard Agreiter (Seite 2)
  • Vorwort LH Günther Platter (Seite 4)
  • Vorwort LH Dr. Luis Durnwalder (Seite 4)
  • Rhythmus der seriellen Form: SERIELL (Seite 6)
  • FAUN UND BALANCE (Seite 8)
  • Vom Seriellen Ensemble zur Seriellen Skulptur: BIG MAMAS (Seite 10); DIE OFFENE (Seite 11); ENSEMBLE(Seite 14)
  • Serielle Skulptur aus dem Seriellen Ensemble: GEMEINSCHAFT (Seite 18); STATUAIRE (Seite 21)
  • Durchbrechung einer Seriellen Skulptur: MAMETTE, ERDGEBUNDEN (Seite 24)
  • Künstlerkraft und Thermodynamik: KRAFT - DAS SPIEL DER KRÄFTE (Seite 26)
  • Federn lassen: HAIE (Seite 30)
  • Die Zeit als vierte serielle Dimension: VERSPRECHUNGEN - DAS VERSPRECHEN (Seite 34)
  • Materie als Schiffre eines Bildhauers: ORBIS (Seite 36)
  • Magie der Metamorphose: FACES - FACE À FACE (Seite 38)
  • Naturpatina und Patina: SELBSTVERSTÄNDLICH 4 (Seite 40)
  • Quadratur der Seriellen Skulptur: TÄNZE DER ELFEN (Seite 44)
  • Fotografie und Konzept: DIE ANDERE, ELLE (Seite 48)
  • MiPArt Galerie: Oroboros (Haraldkirchebner; Seite 50)
  • Impressum - Förderung (Seite 52)
  • MiPArt CD (Seite 53)


BIG MAMAS

BIG MAMAS

Vom Seriellen Ensemble zur Seriellen Skulptur Wir stellen die Hypothese auf, daß erstmals in der Kunstgeschichte die Präsentation serieller - also mehrerer - Bronzegüsse eines Ursprungsmodells als Leitmotiv gewählt, als Serielle Skulptur definiert und in der Ausstellung MiPArt 2009 verwirklicht wird. Die serielle Kunst hat zwar ihren Ausgangspunkt bereits Ende des 19. Jahrhunderts genommen, doch zeigte die Bronzeskulptur ein beinahe schamhaftes Widerstreben, sich mit Ihresgleichen in Serie zu zeigen.

In der Skulptur ENSEMBLE ist die Zusammenführung des Weiblichen und Männlichen – BIG MAMA und DER SELBSTVERSTÄNDLICHE - zu einem ‚Ensemble’ als einheitliche Figur bereits tief im Werk von Richard Agreiter begründet. Dies verleitet geradezu zum weiteren, spielerischen Experimentieren mit Elementen verschiedener Skulpturen bis hin zur Seriellen Skulptur: BIG MAMAS – gemeinsam sind wir stärker.

Jede Skulptur im Einzelnen beansprucht Gültigkeit für sich. Die Serielle Skulptur ist jedoch mitbestimmend nicht nur für den Rhythmus der Form, auch für das Tempo giusto – das angemessene Tempo – der Betrachtung. Die Zusammenstellung gebietet Einhalt und Entschleunigung, führt in die Tiefe, beruhigt und reizt gleichermaßen.

GEMEINSCHAFT wurde von Richard Agreiter als Gruppierung dreier Skulpturen aus dem Seriellen Ensemble STATUAIRE kreiert. Die Serielle Skulptur trat bereits früh in der MAMETTE in Erscheinung, und kann als Erweiterung der Kombination verschiedener Elemente (ENSEMBLE; TANZ DER ELFEN) verstanden werden. Unsere fotographischen Experimente nahmen diese Fährte auf und führten uns zur Entdeckung eines Konzepts, welches wir hier mit dem Begriff der Seriellen Skulptur definieren und in den thematischen Mittelpunkt der MiPArt Ausstellung 2009 rücken.


KRAFT - SPIELE DER KRÄFTE

KRAFT - SPIELE DER KRÄFTE

Künstlerkraft und Thermodynamik Wenn vom Koksfeuer erhitztes, schmelzendes Metall in die Sandform gegossen wird, erleben wir den Prozess der Formumwandlung als ein Zusammenspiel von Künstlerkraft und den Wirkungskräften der Thermodynamik. Es erinnert die Werkstatt des Meisters an ein Labor der Alchemie, die Transformation des Metalls an den magischen Prozess der Verwandlung. Tanzt das heißflüssige Metall zu sehr aus der Reihe, kann das Experiment durchaus auch als ‚daneben gegangen’ beurteilt werden. Alle Schritte in der Entstehung des Gesamtkunstwerkes von Richard Agreiter bleiben in seinen Händen, von der Schaffung der Idee über Skizzen und Modelle, vom ersten Gipsentwurf bis zur Einformung und zum Bronzeguss, und der nachfolgenden individuellen Zisellierung einer Skulptur. Richard Agreiter hat ein nahezu archaisches Verhältnis zur Bronze. Bronze ist eine Legierung aus Kupfer, die meist Zinn, aber auch andere Buntmetalle enthalten kann. Ein ganzes Zeitalter der Menschheitsgeschichte - in Europa vom Ende des 3. Jahrtausend bis zum Beginn des 1. Jahrtausend v. Chr. - leitet seinen Namen von der Bronze ab. In Richard Agreiters künstlerisches Werk fließt die schöpferische Gewalt der Naturgesetze mit der Eigenwilligkeit des Metalls ein: als vielfältige Spielart von flüssiger und erstarrender Materie, von mikroskopischen Variationen, kleinsten Austritten bis zur Ausformung von Federn – und plötzlich eine vulkanartige, bedrohliche Explosion: mit Glück nur ein überraschender ‚Fehlguss’. Macht ein Fehlguss durch Selbsinszenierung der Bronze die Skulptur zum unwiederholbaren Unikat, oder ist erst die Vorhersagbarkeit und Wiederholbarkeit - die Reproduktion – ein Beweis der Gültigkeit des geformten Bronzekunstwerks?

SELBSTVERSTÄNDLICH 4

SELBSTVERSTÄNDLICH 4

Die Ausprägung der Naturpatina der Bronzen von Richard Agreiter steht in direktem Zusammenhang mit dem selbst durchgeführten Gussverfahren im Sandbett. Abwandlungen von Bronzelegierung und Gusstemperatur und der herrschenden Umgebungsfaktoren führen zur individuellen und nicht wiederholbaren Patina. In unseren Seriellen Skulpturen wird auch das Zusammenspiel von Naturpatina und thermochemisch nachgeprägter Patina ausgelotet.

TÄNZE DER ELFEN

TÄNZE DER ELFEN

Quadratur der Seriellen Skulptur TANZ DER ELFEN ist eine Skulptur, welche aus zwei Elementen eines Seriellen Ensembles besteht: Unsichtbares wird greifbar gemacht. Durch Zusammenstellung zweier Skulpturen von TANZ DER ELFEN erreichen wir die ‚Quadratur der Seriellen Skulptur’ – TÄNZE DER ELFEN: das Greifbare löst sich auf in der Bewegung, zerfließt zu Rhythmus, verströmt ins Mysterium der seriellen Form.

HAIE

Von der Fotografie zum Konzept der Seriellen Skulptur

Eine Begegnung von Kunst und Wissenschaft An einem Wochenende im April 2009 erstreckte sich das Schneefeld von der Kirche von Steinberg noch bis an das Haus „Gana“, wo Richard Agreiter mit seiner Frau Ghislaine lebt und in welches das Atelier und die Werkstätten des Künstlers integriert sind. Das strukturierte Weiß, die Kulisse des Rofan-Gebirges und ein strahlendes wolkenloses Blau eigneten sich zu einem fotographischen Osterfest der Inspirationen und Konstellationen von Bronzeplastiken. Es bedurfte nicht vieler Worte zwischen Richard Agreiter und Erich Gnaiger. Der Rhythmus der seriellen Form bildete das fotographische Konzept, mit welchem der Naturwissenschaftler Erich Gnaiger mit dem Künstler eine nahezu symbiotische Zusammenarbeit beginnen sollte. Die Seriellen Skulpturen sind Vervielfachung von Licht und Schatten. Ein Selbstgespräch wie auch ein Dialog. Die Verliebtheit der Form in sich selbst. Eine Reflexion - in Abwandlung des Logos ‚Oroboros’ der MiPArt Galerie. Das Grundthema der Einmaligkeit und Wiederholbarkeit stellt das Werk von Richard Agreiter ins Spannungsfeld zwischen Kunst und Wissenschaft, welches dem Leitbild der MiPArt Galerie entspricht. MiPArt versucht, wissenschaftliche Konzepte durch die Kunst verständlicher zu machen und gleichzeitig sich der Kunst mit wissenschaftlichem Hintergrund zu nähern – eine spannende Kooperation zwischen Wissenschaft und Kunst, zwischen KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen.


Mystery of Serial Forms. English translation by Eileen Harrison

SERIELL

Rhythm of Serial Forms (Book: page 6) UNIQUENESS: A piece of art, a glance, acquaintance, chance, adventure, discovery – the uniqueness of artefacts, appearances, forms and events elevates them beyond the masses of productions and reproductions. Uniqueness as opposed to repetition means irreplaceability and added value in contrast to copying and imitation. The unique piece attracts specific attention and gains its special price. Prices are awarded for first discoveries and inventions as much a for unique artworks.

REPRODUCIBILITY: Without questioning the significance of the unique original, the arrangement and display of the bronze plastic art of Richard Agreiter opens our eyes by the combined placement of several sculptures that have been cast repeatedly from the same original model. We present a selection of the oeuvre of Richard Agreiter with targeted emphasis on repetition, reiteration and on the rhythm of the Serial Form. Each original displays by its serial composition the continuous transition between an individually numbered bronze sculpture and the unmistakeable unique piece of art. Each single copy is characterized by its individual alloy as modified in the sequential casts, by the specific selection of the sand types in the sand cast, pursued experimentation with temperature and consequential variations originating in part by chance, and by the post conditioning of the bronze surface adjusted according to the individual bronze cast. By conscious omission of touching-up or ‘correcting’ the playful varieties of a bronze cast, a surprising metamorphosis may emerge, that underscores the uniqueness of each successful experiment.

VALIDITY: In essence, each bronze cast constitutes an experiment. In science, an experiment lacks any validity if it is not reproducible multiple times. It is only the reproduced result which endows the single event with validity and value. Lawful predictability under defined boundary conditions is derived only from empirically documented reproducibility of the experimental result. The more frequently reproducibility stands the actual test, the closer approach ‘verified’ phenomena the validated power of a natural law. Arts has abandoned long ago the confinements of laws and rules, and moved out of all boundaries into the free space, the added value of which is limited only by the loss of general validity, exposed to the arbitrariness of evaluation, to the chance of success, to the free game without rules. But consider the contrary: “The inferiority of the game has its limits in the superiority of seriousness” (Johan Huizinga: Homo Ludens). The excitement in the play – in the rhythm of forms and in the rhythm of music alike – becomes enhanced by statistical laws of dynamics and their surprising interruption. Reproducibility is not the counterpart but a serial microscopic and macroscopic constitutional part of the unique on various levels of complexity. Uniqueness evolves by reproducibility, in the quest of the artist and scientist for unerring validity.

BIG MAMAS

From the Serial Ensemble to the Serial Sculpture (Book: page 10) We propose the hypothesis that for the first time in the history or arts, the presentation of serial – that is multiple – bonze casts of an original cast model is selected as a leitmotiv, which we define as Serial Sculpture, and which we realize in the exhibition MiPArt 2009. It is clear that Serial Art has its roots as early as the late 19th century. The bronze sculpture, however, displays almost a sense of shame against being exhibited in series with its equals. Richard Agreiter uses the coined and conventionally at up to seven limited edition, to expand a sculpture in all facets and fathom the theme – including the usually three E.A., the Epreuve d’Artiste. In that way these bronze casts become part of the unity of the Serial Ensemble. To define such a unity by a proper term – to comprehend the concept – we were lead back to the idea of the serial presentation of several samples (examples) of a sculpture and bring it into play as the Serial Sculpture. BIG MAMA is part of a central theme in the art of Richard Agreiter. In the sculpture ENSEMBLE, he unites the feminine and masculine – BIG MAMA and the SELFEVIDENT – in an ‘ensemble’. This stimulates towards further, playful experimentation with sculptures, with the elements of various Serial Ensembles up to the Serial Sculpture: BIG MAMAS – together we are stronger. Each sculpture demands validity on its own. The Serial Sculpture, however, emphasizes not merely the rhythm of forms, it contributes to the tempo giusto - the adequate tempo - of our approach. The serial assembly demands slowing down, decelerates, extends into depths, simultaneously relaxes and elicits excitement.

GEMEINSCHAFT (COMMUNITY)

Serial Sculpture from the Serial Ensemble STATUAIRE (Book: page 18) COMMUNITY was created by Richard Agreiter as a group of three sculptures from the Serial Ensemble STATUAIRE. The Serial Sculpture emerged already at an early state as MAMETTE (page 24), and can be interpreted as an extension of the combination of different elements (ENSEMBLE, page 17; DANCE OF THE ELVES, page 44). Our photographic experiments took up this trace and lead us to the discovery of a concept which we define here with the term Serial Sculpture and which we place into the thematic centre of the exhibition MiPArt 2009.

FORCE - GAMES OF FORCES

Force of the Artist and Thermodynamics (Book: page 26) When metal heated and melted by coke fire is poured into the sand cast, then we experience the process of transformation as an interplay between the artist's force and the driving forces of thermodynamics. The workshop of the master is reminiscent of the laboratories of alchemy. The transformation of the metal reminds us of the magic process of transmutation. Bronze melts at a temperature of about 1000 °C, depending on the ratio of metal components of the alloy. The casting temperature is varied individually up to 1050 °C. If the glowing and flowing metal dances too far out of bounds, then the experiment may be evaluated to be besides the point. The perfection of the master of his trade consists in the success of the majority of the experiments. Good luck plays an inevitable role. Uncontrollable variations remain even at highest perfection of the artist or scientific experimentalist.

Origin of a complete piece of art All steps in the origin of a complete piece of art of Richard Agreiter remain in his hands, from the creation of the idea, sketches and models, the first plaster model, the forming of the mould, up to the casting of the bronze alloy, and the subsequent individual chiselling of the sculpture. Thereby his old friend of bronze casting, Dieter Kröll, contributes significantly to the success of a cast.

HAIE (SHARKS)

Let the feathers be (Book: page 30) By pursuing the archaic craft of bronze casting, Richard Agreiter imprints all his vitality into each individual bronze sculpture. The skeleton of the SHARKS is shown with the plaster model and the finished bronze sculpture as a developmental series. In his early phase, Richard Agreiter removed painstakingly all ‘feathers’ generated by high densities of the sand and the escaping bronze. Only later he began to appreciate the forces of the casting process as a contribution action of nature, rather than disguising it as a counteractive resistance. Thus creative elements were retained, shaped by the dynamics of the flowing metal as irrepeatable contoures, lines and interrupted shapes along the margins, which characterize each singular bronze cast as an individual peace of art.


Serielle Skulptur

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